Sonntag realhypothetisch
Sonntag. Ausruhen und Kräfte sammeln. Pah, von wegen! Planen ist angesagt. Wie kann die nächste Woche ideal in viele Einzelteile zerlegt werden, um alle Aufgaben geschmeidig hinein zu pressen. Hochleistung für Strategen. Sonntag, nur an der Oberfläche ein sonnig entspannter Tag. Oder was?
Brotplantag
Unter Anderem ist Sonntag mein Brotplantag. Meine Herzallerliebste liebe nicht nur mich, sie liebt auch mein Brot. Süchtig ist sie danach. Das weckt Erwartungshaltungen. Außerdem. Als guter Familiendealer will man die Versorgungslinie auch nicht abreißen lassen. 😉 Was wie eine grausame Knechtschaft klingt, ist auch ruhespendende Meditation. Auch wenn es verrückt klingen, mit Brotbacken verbinde ich Entspannung. Meditatives Einwiegen und Kneten. Wenn Zeit, Lust und eine Genussidee da sind, auch gerne mit einem Natursauerteig-Rezept.
Sonntag, Entscheidung, Genuss und Liebe
Genussidee? Seltsames Wort, aber die Welt des Brotes ist für mich untrennbar mit Genuss verbunden. Es gibt so viele Rezepte, so viele Sorten Brot, so viele Geschmacksrichtungen! Treibende Kraft ist immer der Genuss. Die Vielfalt. Genuss in der Mehrzahl. Und alles ist machbar, knetbar, backbar. Ich muss mich nur entscheiden. Also doch Stress am Sonntag?
Keine Angst, das wird jetzt kein Drama in drei Akten. Schlaumeiers Daumenregel besagt: 500 Gramm Mehl, 2% Sauerteig, 3% Salz, so viel Wasser, dass ein griffiger Teig entsteht und dem Ganzen dann circa 8 Stunden bei mindestens 20° C Zeit geben. Kann man machen. Geht, wenn keine andere Genussidee da ist. Ich persönlich habe da höhere Anspruch. Schon alleine deshalb, um meine Herzallerliebste schön an ihrer Sucht nach meinem Brot zu halten. Umgarnt mit Liebe und Brotgenüssen. Was lernt der geneigte Leser daraus? Brotbacken ist purer Egoismus. Zwinkerer. Dicker, fetter Zwinkerer. Die Realität ist, Brotbacken ist Liebe. Nicht nur am Sonntag.
Brotbackmeditation
So, das Geständnis sollte dann mal raus. Es erklärt ganz gut, warum ich so glücklich, ausgeglichen und zufrieden bin. Bevor ich jetzt eine neue Sekte gründe und Jünger um mich schare, Backwarenjünger, komme ich zum Ernst des Brotbackens zurück. Die Daumenregel bei Ideenebbe hatten wir ja schon. Richtig reizvoll sind (für mich) Rezepte, die überhaupt nicht dem Normalen entsprechen. So wie heute. Nur 1% Sauerteig, nur 1% Salz, einen weicheren Teig als üblich kneten, in eine Backform geben und 36 Stunden ohne Beachtung der Temperatur vor sich hingehen lassen. Wer da innerlich nicht ganz entspannt ist, hat genug Zeit zum Durchdrehen. 36 Stunden. Ich mache es kurz: Lohn des Wartens ist ein unvergleichlich rauchiges Aroma. Lecker. Brotbackmeditation. Sonntage sind dazu ideal. Am Sonntag Morgen angesetzt, am Montag Nachmittag gebacken. OK, wer das Brot am Montag brauch, kann auch am Samstag ansetzen … und so weiter und so weiter und so weiter … Das unendliche Sein des Brotes.
Und mit einem kleineren Zeitkontingent … so in den realhypothetischen Raum hinein gefragt? Der Griff ins Regal mit meinen Backmischungen! Die Lösung für das hypothetische Problem! Diese Backmischungen brauchen keine 36 Stunden. Aber welche? Da braucht es auch eine Genussidee. Ohne geht es nicht. Also doch Stress am Sonntag. Oder einen andere Art der Brotbackmeditation? Irgendwas ist ja immer.