Gedanken: Inflation und so …
Ich lasse meine Gedanken fliegen. Gedanken machen ist eine gute Sache. Denke ich mir. Und heute denke ich über Inflation nach.
In letzter Zeit taucht häufig das Wort „Inflation“ auf. Ein schlimmer Begriff. Schon meine Oma hat mir von der Inflation erzählt. Die große. In den 1920er Jahren. Das war prägend für die Generation meiner Großeltern. Und diese Prägung wurde auch meiner Generation übermittelt. Jetzt knallt der Begriff „Inflation“ in unsere Wohlstandsgesellschaft und Ängste kommen hoch. Zwar wurde vor Kurzem eine vorsichtige Teilentwarnung gegeben, aber die Ängste bleiben. Vorsichtige Entwarnung, weil es nur ein paar Zehntelprozent sind. Inflation, vollkommen egal ob viel oder wenig. Sie ist noch da. Ängste sind sehr stabil, auch wenn unsere Generation noch nichts Vergleichbares erlebt hat.
Meine Gedanken
Ich kann nicht anders, ich mache mir Gedanken. Nicht um einen Schuldigen zu finden, nicht um den Grund für alles Wohl und Wehe in der Welt zu finden, auch für das Retten des Universums bin ich nicht zuständig und als Weltverbesserer habe ich schon häufiger versagt. Dennoch, ein paar Gedanken können nicht schaden.
Inflation und das Erbe unserer Vorfahren
Niemand von uns ist unbeeindruckt von den Erzählungen der Alten. Erzählungen von Menschen die viel erlebt und viel zu berichten haben. Manches ist für uns nachvollziehbar, anderes vollkommen fremd. Aus der Geschichte lernen wir. Das ist gut uns richtig so. Immer. Häufig als gutes Hilfsmittel zur Korrektur, manchmal auch als Warnlampe, zum Glück ganz selten als Angstmacher. Aktuell haben wir den Angstmacher, in dem Wort „Inflation“.
Eine kleine Geschichte
Meine Oma hat die Inflation voll mitgemacht. Da war sie Mitte 20. Mit einem kleinen Kind. Und als es ganz dick kam, wurde sie von ihrem Mann verlassen. Hunger. Arbeitslosigkeit. Depression in in der Wirtschaft. Depression in der Weimarer Republik, in jeder Stadt, in jedem Ort, in jeder Straße, in jedem Haus, in jedem Haushalt. Wenn ich mich an die Erzählungen meiner Oma erinnere, wundert mich, dass überhaupt Menschen diese schlimme Zeit der großen Inflation überlebt haben. Woher nahmen sie ihren Willen zum Überleben?
Die Generation meiner Oma war nicht zu beneiden. Erster Weltkrieg, Inflation, zweiter Weltkrieg, Kinder im Krieg verloren, Bombennächte und Verluste, Nachkriegszeit. Zum Glück hatte meine Oma in der Zeit der Inflation einen Mann gefunden, der sie in den Arm nahm, Sicherheit gab und mit ihr alles überstand. Mein geliebter Opa. Ich war noch klein als er starb, aber ich sehe ihn noch vor mir. Kaiser-Wilhelm-Bart, drahtig, runder Rücken von Jahren schwerer Arbeit, blitzende Augen, in denen sich Lebensmut, Schalk, Güte und innere Kraft spiegelten. Was haben diese Menschen alles überstanden! Und ich weiß, am Ende ihres Lebens haben sie auf eine reiches, erfülltes Leben zurück geschaut. Kinder, Enkel, Urenkel. Die große Inflation war nur eine Episode, die sie nachhaltig beeindruckt, jedoch nicht gebeugt hat.
Die richtigen Lehren aus der Geschichte ziehen
Ich denke, von der Generation unserer Großeltern können wir viel lernen. Unbeugsamkeit. Der Glaube an die Zukunft und die Gewissheit „zusammen schaffen wir das“. Zusammen? Ja, zusammen mit nahestehenden Menschen, zusammen mit Menschen die Kraft und Zuversicht geben. Das braucht Ideen. Und es braucht den Willen nach vorne zu schauen.
Zeichen setzen
Ich will jetzt keinen Ideenwettbewerb starten. Auch will ich keine Bewertung, ob Großes oder Kleines richtig ist, ob es sinn- und zweckvoll ist oder nicht, oder ob Rhabarber Fett enthält. Es geht nicht um das ultimativ Richtige und Wirkungsvollste, sondern um das Grundsätzliche. Wenn jeder tut, auch im Kleinen und Verborgenen, dann geschieht auch was. Also runter vom Sofa, Schluss mit Jammern, rein ins Tun.
Das gegen Inflation Brot
Das Gejammer um Brot und Brotpreise macht nun schon einige Monate die Runde. Auch nachlassende Qualität wird angemerkt. Nun hat es mich interessiert, wie ich eine Sauerteig-Brotbackmischung auf hohem Qualitätsniveau zu niedrigstem Preis herstellen kann.
Also rein ins Backlabor und kräftig getüftelt. Aber nicht einfach so, sondern begleitet vom spitzen Kalkulationsstift. Ich habe Inhaltsstoffe um- und bewährte Rezepturen auf den Kopf gestellt. Außerdem wurden gnadenlos alle Positionen gestrichen die eventuelle Preisschwankungen abfedern, Lagerhaltung und MHD-Abschreibungsreserven wurden nicht auch nicht eingerechnet. Das bedeutet, jede Preisschwankung, jede Materialknappheit knallt voll in den Verkaufspreis und eine immer-verfügbar-Garantie gibt es auch nicht. Wenn all, dann all. Dafür ist die Backmischung fast 2 € günstiger als meine bisher günstigsten Sauerteig-Brotbackmischungen. Es ist wichtig den Begriff „Sauerteig-Brotbackmischung“ besonders zu betonen, weil Äppel-mit-Birnen-Vergleiche sind zwar beliebt, bringen aber nichts. Im Gegenteil! Es sind Angstbeschleuniger. Besonders in der Kombination mit Begriffen wie „Inflation“. Angst brauchen wir nicht, sondern wieder ein Stück Lebensfreude und Genuss.
Zeichen gesetzt
Das „gegen Inflation Brot“ kann man bei mir am Marktstand kaufen. Hohes Qualitätsniveau zu niedrigstem Preis geht also. Der Aufwand zur Entwicklung ist jedoch groß und Versorgungssicherheit nicht gegeben. Wirtschaftlich ist es für meine kleine Manufaktur nicht, aber es bleibt vorerst im Programm.
Die Aktion hat mich richtig durcheinander gemacht, weil das Brot schön aussieht und richtig lecker ist. Satte 97% Vollkorn im Getreideanteil. Ein schönes Roggenmischbrot. Im gegebenen Rahmen ist es kein echtes Wirtschaftsmodell. Aber es ist gar nicht so falsche, gelegentlich ganz bewusst auf sparsam umzuschalten. Da gibt es eine Menge zu entdecken. Das habe ich jetzt gelernt und bin sehr froh über diese Erfahrung.
Ich kann das nur empfehlen. Gehe auch einmal bewusst den Sparsamkeitsschritt. Das ist echt spannend!